Ein Verantwortungsmix für Kinder und pflegebedürftige Angehörige ist für viele Familien längst Realität – mit den bekannten Konsequenzen für die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege. Und ihre Zahl wird steigen: Laut Pflegestatistik des Statistischen Bundesamts wird sich die Anzahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland von 2,5 Millionen in 2011 auf ca. 4,6 Millionen im Jahr 2050 nahezu verdoppeln.
In Nordrhein-Westfalen sind aktuell über eine halbe Million Menschen pflegebedürftig. Die meisten von ihnen werden zu Hause betreut, zu fast 50 Prozent von berufstätigen Angehörigen. Die Hälfte der Berufstätigen, die gleichzeitig eine Pflegeaufgabe übernehmen, arbeitet sogar in Vollzeit.
In nicht allzu ferner Zukunft wird die Zahl pflegebedürftiger alter Menschen stark ansteigen. Zugleich wächst der Anteil an Single-Haushalten. Und immer mehr Frauen, die traditionell Angehörige pflegen, sind selbst berufstätig. Eine Konsequenz wird sein, dass der Anteil erwerbstätiger Frauen und Männer mit Pflegeverpflichtungen deutlich zunimmt.
Wichtig für Unternehmen: Mindestens 40 Prozent aller Unternehmen sind schon heute betroffen von Arbeitszeitreduzierung durch pflegende Angehörige. Wenn der Pflegefall eintritt, reduziert etwa die Hälfte der Beschäftigten ihre Arbeitszeit, meist um fünf bis zehn Wochenstunden. Knapp 20 Prozent geben ihre Arbeit vollständig auf – mit den entsprechenden individuellen Folgen für das aktuelle Einkommen und die spätere Absicherung im Rentenalter. Doch auch die Unternehmen leiden unter den Auswirkungen in Form vermehrter Krankheitstage, Arbeitsausfällen, geringerer Produktivität bis hin zum Verlust der Arbeitskraft mit den entsprechenden Folgekosten für die Nachbesetzung.
Aber es gibt auch eine gute Nachricht: Wenn Unternehmen frühzeitig handeln und nach Maßnahmen und Instrumenten suchen, um ihre Beschäftigten zu unterstützen, bedeutet die Zunahme der Pflegeverantwortung der Beschäftigten nicht zwangsläufig Ausstieg, Minderleistung oder Burn Out. Unternehmen, die sich auf den Weg machen, berichten von der überraschenden Erfahrung, dass schon Enttabuisierung und Offenheit für die Unterstützungswünsche der Betroffenen den Druck bei diesen nehmen. Vereinbarkeitslösungen führen im Arbeitsalltag zu erheblich weniger „Störungen“ als das Totschweigen des Themas.
Hilfreiche Links:
www.demografie-portal.de/SharedDocs/Informieren/DE/ZahlenFakten/Pflegebeduerftige_Versorgung.html
Artikel GIB 2/2014, Interview Beermann
www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Bevoelkerung/Geburten/Geburten.html
Weitere Hinweise zu der Frage:
Nutzen_02
Sie werden zukunftsfest.
- Sie tragen zur Entlastung pflegender Beschäftigter bei und helfen so, Motivation, Arbeitszufriedenheit und Produktivität der Beschäftigten zu erhöhen und qualifizierte Arbeitskräfte ans Unternehmen zu binden.
- Sie sind attraktiv für neue Fach- und Führungskräfte, denn das Thema „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“ gewinnt immer mehr an Bedeutung für Arbeitnehmer/-innen; familienbewusste Personalpolitik ist ein Standortfaktor.
- Sie erzielen Einsparungen aufgrund geringerer Ausfallkosten, geringerer Rekrutierungskosten und höherer Produktivität.
- Sie übernehmen gesellschaftliche Verantwortung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels (CSR).
Beleg: Expertise FFP (Forschungszentrum familienbewusste Personalpolitik u.a.): Gewinn für Unternehmen:
- Engagierte, konzentrierte, loyale Beschäftigte
- Return on invest
- Sicherung von Fachkräften und
- Gewinnung von Nachwuchskräften
Hilfreiche Links:
Expertise des Forschungszentrums Familienbewusste Personalpolitik
Weitere Hinweise zu der Frage:
Nutzen_01
Das entscheiden Unternehmen und Behörden selbst.
(siehe auch die Fragen Unternehmen_05 und Unternehmen_13)
Faustregel: Basismaßnahmen kosten erheblich weniger als der Nutzen, den sie bringen: Prävention von Ausstieg, Minderleistung und Burn Out. (siehe auch Frage Nutzen_02)
Basismaßnahmen und Grundregeln sind
- Top Down: Die Unternehmensleitung gehört ins Boot. Weil sie das Signal abgibt: Das Thema nehmen wir wirklich ernst. Diese Haltung prägt den ganzen Prozess.
- Kommunikation und Transparenz: Die Beschäftigten wollen wissen, was bei der Umsetzung passiert, wer wichtige Akteurinnen und Akteure sind und welche Angebote ein Unternehmen macht.
- Angehörige im Unternehmen beteiligen: Es ist nützlich und macht glaubwürdig, wenn man Lösungsangebote im Unternehmen mit den eigenen pflegenden Beschäftigten entwickelt.
- Eine Ansprechperson finden und benennen (siehe auch die Fragen Unternehmen_08 und Unternehmen_09)
- Infomaterial bereitstellen und die Suche der Betroffenen damit abkürzen – ein Zeitgewinn, der Spielräume für Arbeit und Pflege eröffnet. Siehe dazu die Servicemappe „Beruf und Pflege vereinbaren“
- Wissen und Unterstützung von außen holen: zum Beispiel eine Pflegeberaterin aus der Region (siehe auch Frage Hilfen_01)
Aber nicht nur die Bedarfe in Unternehmen sind sehr unterschiedlich. Unterschiedlich stark ist auch die Einschätzung, ob es wichtig für ein Unternehmen ist, Fachkräfte zu gewinnen und zu halten. Wer überzeugt ist, dass durch Familienbewusstheit Fachkräfte gewonnen und gehalten werden können, wird im Interesse des Unternehmens die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege proaktiv und präventiv gestalten wollen – und auch dann Angebote entwickeln, wenn (noch) nicht offensiv Bedarf angemeldet wird oder bekannt ist.
Weitere Hinweise zu der Frage:
Unternehmen_13
- Ansprechperson/Lotsin/Lotse für pflegende Beschäftigte im Unternehmen benennen (siehe die Fragen Unternehmen_08 und Unternehmen_09)
- Infomaterial gedruckt und im Intranet zur Verfügung stellen. Siehe dazu die Servicemappe „Beruf und Pflege vereinbaren“
- Raum (und evt. Freistellung) für ein „Forum Pflege“/„Kolleg/-innenkreis“ pflegender Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter
- Zugangsmöglichkeiten für private Internetrecherche
- privates Telefonieren während der Arbeitszeit
- Jahresurlaub (z.B. 30 Tage) auf 60 halbe Tage verändern
- spontane Auszeiten (tageweise) ermöglichen
- vorübergehende Niederlegung einer Leitungsposition
- Bereitstellung eines Firmenparkplatzes für pflegende Beschäftigte in der Nähe des Arbeitsplatzes (Zeitersparnis)
- an regelmäßigen Terminen (z.B. einmal im Monat) Gespräche mit externen fachlichen Ansprechpartner/-innen (zum Beispiel aus gemeinnützigen Einrichtungen, Wohlfahrtsverbänden, Pflege- oder Wohnberatungsstellen oder ambulanten Diensten) im Unternehmen anbieten, um grundsätzliche Fragen zu klären
Hilfreiche Links:
Leitfaden für Unternehmen
Instrumente für Unternehmen
Checkliste für Unternehmen
Digitale Servicemappe
Mehr unter:
www.berufundfamilie.de/publikationen.html
Weitere Hinweise zu der Frage:
Unternehmen_03
Unternehmen_04
Unternehmen_05
Unternehmen_08
Unternehmen_09
Unternehmen_13
Unternehmen_14
Hilfen_01